Sonntag, 21. Oktober 2012

Bleib mal locker!

"Portrait eines Mädchens in Gedanken",
Pierre-Auguste Renoir
"Heut' mach ich mir kein Abendbrot, heut' mach ich mir Gedanken."
Wolfgang Neuss

Ich war schon immer eher nachdenklich, machte mir Gedanken über das, was auf der Welt geschieht. Ich analysiere Situationen und kann oft nicht damit hinterm Berg halten, dass ich etwas ungerecht finde. Das betrifft oft Feminismus, aber eben auch generelle Fragen der Ungerechtigkeit u.ä.
"Du machst es dir aber auch selbst ein bisschen schwer!", ist ein Einwand, den ich seit meiner Jugend zu hören bekomme. Die Aussage ist aber so nicht richtig. Ich "mache" es mir nicht schwer. Das ist keine bewusste Entscheidung, viele Dinge sind nun mal da und ich kann einfach nicht darüber hinwegsehen. Nach Feierabend einfach mal einen Film gucken, ohne zu sehen, dass da z.B. alle Gangster PoC sind, das kann ich nicht. Ich bin halt so.

(Fast) alles was ich tue ist das Ergebnis von detailierten Gedankengängen - mal längeren, mal kürzeren. Spontanität und Lockerheit sind eine schöne Sache (kann ich auch - man glaubt es kaum), aber nicht alles auf diesem Planeten kann und darf man ignorieren und darüber hinweglächeln.
Mein Ziel ist es nicht, dass wir alle depressiv werden, weil wir den ganzen Tag an den Problemen der Menschheit verzweifeln. Ich würde mir nur wünschen, dass wir nicht immer alle nur vor der eigenen Haustür kehren, sondern auch mal andere beachten. Dazu gehört auch, dass ich z.B. nicht selbst Leidtragende von einer Struktur sein muss, um sie scheiße zu finden und ändern zu wollen (Beispiel Rassismus oder - haha! - Kinderrechte). Ich muss weder Mann noch homosexuell sein, um "schwul" als Schimpfwort oder Witz absolut nicht akzeptabel zu finden.
Ich persönlich kriege schon mal auf's Butterbrot geschmiert, dass mich das doch gerade gar nicht selbst betrifft, warum ich mich denn darum kümmern würde.

Manchmal stelle ich es mir sehr entspannt vor, durch's Leben zu gehen und nur mich selbst und meine Probleme zu sehen. Ich hätte keine Schwierigkeiten mehr damit, einfach abzuschalten und mich fallen zu lassen. Ich würde weniger Zeit damit verlieren, mir Gedanken um die Sorgen meiner Mitmenschen zu machen. Es würde mich nicht kümmern, dass irgendwo auf der Welt - oder schon vor meiner Haustüre - Menschen ungerecht behandelt werden.
Dann wäre ich nicht Vegetarierin geworden. Oder Feministin. Oder bei den Piraten gelandet.

Auf "Musst du da jetzt wieder so ein Fass aufmachen?" kann ich nur sagen: Niemand muss so "extrem" sein, wie ich es oft bin, aber hin und wieder die eigene Weltsicht hinterfragen und an dem zweifeln, was man sieht oder tut, finde ich total wichtig. Es kann doch nicht zu viel verlangt sein, sich nicht immer nur um sich selbst zu drehen.

tl;dr
Ein Plädoyer für etwas weniger Egoismus und dafür mehr Solidarität und Nachdenken. Zumindest hin und wieder. Bitte.

Nachtrag
Ich glaube, irgendjemand hatte vor gar nicht langer Zeit zum gleichen Thema schon was gebloggt. Ich weiß aber nicht mehr wer und wo und kann das deshalb nicht mehr nachlesen. Überlege nun, ob mein Post überhaupt sinnvoll ist und nicht alles an prominenter Stelle schon mal geschrieben wurde.
Hmm. Vielleicht mache ich mir doch manchmal zu viele Gedanken ;-)

2 Kommentare:

  1. Ich habe diesen Post sehr gern gelesen und stimme Dir in allen Punkten zu.

    Mir geht es sehr ähnlich, allerdings rege ich mich tendenziell mehr über Rücksichtslosigkeit, Umweltverschmutzung und hirnlosen Konsum auf. Aber der Grundgedanke ist wohl derselbe.

    "Wenn jeder an sich denkt, ist doch an alle gedacht!" Nö, leider nicht. Und Demokratie bedeutet nicht, dass nur das gemacht wird, was die Mehrheit will. Sondern auch Minderheitenschutz. Aber das wissen leider viele gar nicht. Deshalb müssen wir auf Ungerechtigkeiten aufmerksam machen, auch wenn wir persönlich gar nicht betroffen sind. Aber vielleicht werden wir irgendwann mal zu einer schutzbedürftigen Minderheit gehören. Und dann brauchen wir auch die Hilfe von Leuten, die selber gar nicht betroffen sind.

    Es lebe die Solidarität!

    Liebe Grüße,
    Henriette

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  2. Solche Aufrufe werden sicherlich schon tausendmal im Netz stehen. Aber es ist trotzdem lesenswert. :-)

    Das Problem ist nur, dass man dadurch Menschen nicht zum Umdenken bewegen kann. Häufig hilft nur, selbst zu agieren und sich mit Menschen zusammenzuschließen, die ebenfalls handeln wollen. Vorleben bewirkt meistens mehr als bloße Worte.

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