Dienstag, 20. November 2012

10 Jahre Gewaltschutzgesetz

Ich war heute auf einer Informationsveranstaltung in meiner Heimatstadt. Thema der Veranstaltung war das 10jährige Jubiläum des Gewaltschutzgesetzes. Nach dem Grußwort des stellvertretenden Bürgermeisters (zu dem ich irgendwo nochmal gesondert was sagen will, weil es so grausig war) gab es einen Vortrag von Luzia Kleene und eine Expertinnenrund mit drei engagierten Frauen aus dem Kreis.

Luzia Kleene ist Juristin und Sozialpädagogin aus Düsseldorf und seit 25 Jahren in der Anti-Gewalt-Arbeit tätig. Sie berichtete vom Werdegang des Gewaltschutzgesetzes.
Das Gewaltschutzgesetz wurde 2002 einstimmig im Bundestag beschlossen - wann hat man das schon mal. Dem gingen viel Vorarbeit und Modellprojekte voraus. Heute gilt das Gewaltschutzgesetz in allen deutschsprachigen Ländern Europas.
Das Gewaltmonopol des Staates hört heute nicht mehr an der Haustüre auf und häusliche Gewalt wird nicht mehr abfällig als "Familienstreitigkeit" bezeichnet. Durch das Gewaltschutzgesetz steht der Schutz des Opfers im Mittelpunkt und es ist klar: Wer schlägt, der geht.

Immer noch wollen viele Opfer keine Anzeige erstatten - manchmal, weil Kinder im Haushalt leben oder die Opfer sich noch nicht klar sind, ob sie sich von Täter_innen trennen wollen. Immer noch liegt die Beweislast beim Opfer und da es meistens keine Zeug_innen für die Gewalt gibt, schrecken viele vor einer Anzeige zurück. Des Weiteren steht das Umgangsrecht des Elternteils über dem Gewaltschutzgesetz. Opfer, die mit dem gewalttätigen Partner Kinder haben, müssen also in vielen Fällen noch Kontakt mit dem Täter halten und sind so oft großer Gefahr ausgesetzt.
Bei Zuwiderhandlung gegen den von der Polizei ausgesprochenen Wohnungsverweis, droht den Täter_innen meistens keine Ordnungshaft und das geringe Ordnungsgeld hat kaum abschreckende Wirkung. Viele Verfahren werden immer noch eingestellt, was wiederum viele vor einer Anzeige zurückschrecken lässt - ein Kreislauf.
Frau Kleene sagte aber auch: "Vor 15 Jahren hätte ich einer Frau nicht guten Gewissens raten können, 110 zu wählen. Die Polizei konnte wenig tun, sondern brachte den Täter durch ihr Auftreten oft noch in Rage." Heute ist das glücklicherweise anders. Schulungen und landesweite Richtlinien tragen Früchte. Die Zahl der Anzeigen ist in NRW von 2002 bis 2011 von 14.300 auf ca. 25.000 gestiegen, die Polizei hat mehr Handlungsspielraum und kann sich besser um die Opfer kümmern.
Bekämpfung von häuslicher Gewalt ist heute ins Zentrum gesellschaftlicher Aufklärung gerückt und nicht mehr nur Thema der Frauenbewegung, wie noch in den 70er Jahren.
Durch das Gewaltschutzgesetz wurde viel erreicht - doch es ist auch noch viel zu tun, denn häusliche Gewalt ist immer noch die häufigste Gewaltform gegen Frauen.

Im Anschluss gab es eine Expertinnenrunde mit Sonja Walt und Maria Brenner, die beide in Frauenberatungsstellen des Kreises arbeiten, und der Polizeibeamtin Marion Laßka.
Frau Laßka ging noch einmal darauf ein, dass häusliche Gewalt vor dem Gewaltschutzgesetz als Familienstreitigkeit behandelt wurde und Frauen sich meistens um private Flucht-/Ausweichmöglichkeiten kümmern mussten. Heute hat die Polizei eben die Möglichkeit, Täter_innen für 10 Tage aus der gemeinsamen Wohnung zu verweisen. Zudem werden beide Parteien getrennt befragt. Die Polizei gibt - mit Einverständnis der Frau - die Grunddaten an eine Frauenberatungsstelle weiter und das Jugendamt kümmert sich um die im Haushalt lebenden Kinder.
Die Beratungsstellen melden sich innerhalb kürzester Zeit bei den Frauen, beraten telefonisch und persönlich. Hier ist es wichtig, dass schnell beraten wird, denn wenn es erstmal zu einer Versöhnung kam, sind die Opfer für Hilfe nicht mehr zugänglich und geraten evtl. in den nächsten Gewaltkreislauf.
Gängig ist, dass die Beratungsstellen mit den Opfern einen Fluchtplan erstellen, einen Ort für eine Art Notfallkoffer finden und dazu raten, mit einer vertrauten Person ein Codewort auszumachen, um in der nächsten Gewaltsituation unauffällig einen telefonischen Notruf absetzen zu können. Zudem wird die Gefährlichkeit der Situation eingestuft und über das Frauenhaus informiert.

Bei dem, was sich in Zukunft noch verändern muss, sind die Expertinnen sich einig: Es braucht bessere Finanzierung und mehr Personal in den Beratungsstellen. Zudem sollte die Frauenhausfinazierung bundesweit vereinheitlicht werden. Die Täterarbeit muss ausgeweitet werden und auch die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt muss sich verbessern.

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