Sonntag, 18. November 2012

Zur Woche des generischen Femininums


Woche des generischen Femininums: 19. bis 25. November 2012
Um das nochmal zu betonen: Ist keine Piratinnen-Aktion, sondern für alle! Wir werden eine Woche lang im generischen Femininum formulieren - sowohl in Texten als auch mündlich.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird meistens die männliche Form verwendet, um gemischtgeschlechtliche Gruppen zu bezeichnen. Frauen seien hier mitgemeint, heißt es immer. Kritik an dieses Praxis gibt es seit vielen Jahren von Sprachwissenschaftler_innen und Feminist_innen. Das Problem am generischen Maskulinum ist, ist, dass es nicht generisch ist.
Frauen werden unsichtbar gemacht, wenn man sie durch "Bürger" einfach nur mitmeint. Im Kopf entsteht das Bild eines Mannes, nicht einer Frau. Dazu gibt es diverse Studien. "Man kann nicht nicht gendern", sagte @Mandelbroetchen mal so schön zur Tatsache, dass eben auch im generischen Maskulinum geschriebene Texte gendert sind.
"Ihr seid mitgemeint, das weiß doch jeder!", ist so eine typische Aussage von denen, die Angst haben, sich mit anderem Sprachgebrauch als dem angestammten zu beschäftigen. Stell dir mal vor, deine Schwiegereltern laden deine_n Partner_in zum Kaffee ein und du bist nur mitgemeint. Musst selber wissen, dass du angesprochen bist. Höflichkeit ist da das Stichwort.

Das Problem ist aus meiner Sicht auch, dass gerade Begriffe wie "Bürger" historische Sachverhalte transportieren. Das beste Beispiel ist hier die Französische Revolution und ihre Verkündung der Menschen- und Bürgerrechte. Unter "Bürger" verstand man schlicht nur Männer, weil nur Männer Bürgerrechte haben konnten - weshalb ja Olympe de Gouges die Rechte der Frau und Bürgerin schrieb. Wenn ich also heutzutage von Bürgern spreche, mache ich unsichtbar, dass Frauen heute zumindest formal die gleichen Rechte wie Männer haben.
Das gleiche gilt für "Studenten". Frauen dürfen sich erst seit Ende des 19. Jahrhunderts in deutschen Unis immatrikulieren - es ist also gerade politisch bedeutend, deutlich zu machen, dass wir heute glücklicherweise von "Studentinnen und Studenten" (oder auch gerne "Studierenden") sprechen können.

Gerne kommt das Argument, es sei mühsam oder optisch unansprechend, Texte geschlechtergerecht zu schreiben. Optisch unansprechend ist ein rein ästhetisches Argument - das kann man so oder so sehen. Ich finde es in jeglichem Wortsinne schön, wenn in Texten mehr als nur ein Geschlecht angesprochen wird (gerne auch mehr als nur zwei Geschlechter!).
Mühsam? Ja und! Ich sehe Sprache als machtvolles Instrument, mit dem ich auch politische Inhalte vermitteln kann/muss. Und Politik darf gerne ungewöhnlich, aufrüttelnd und neu sein. Gerade bei uns Pirat_innen ;-)

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sich gerade schriftlich ganz schnell Gewöhnung einstellt. Und auch im mündlichen Sprachgebrauch macht es Spaß, sich auszuprobieren und kreative Lösungen zu finden, rein maskuline Formen zu umgehen. Dabei helfen z.B. solche und ähnliche Merkblätter.
Mündlich muss man manchmal zweimal nachdenken, bevor man etwas sagt. Das macht ja nichts - wenn man dafür gerechter formuliert und niemanden ausschließt. Es macht etwas mit dir, wenn du plötzlich direkt angesprochen wirst. Auf einmal kannst du auch nicht mehr anders als geschlechtergerecht formulieren. Besonders viel Spaß macht die Umstellung in der Gruppe, wenn man sich gegeseitig verbessern und helfen kann.

Das Video oben ist ein Vortrag von Anatol Stefanowitsch, der nicht nur von geschlechtergerechter Sprache, sondern z.B. auch von Sprache und Rassismus spricht. Ebenfalls empfehlen möchte ich seinen Blog - im Besonderen diesen Eintrag.

6 Kommentare:

  1. "Erst denken, dann reden", ist eh immer eine gute Strategie. Würde den meisten Leuten gut tun. ;-)

    Ich denke, das ist wie mit einer Fremdsprache. Am Anfang ist man etwas langsamer und muss über jeden Satz, ja jedes Wort nachdenken, aber bald spricht man recht flüssig, ohne viel nachzudenken.

    Ich kann mich noch erinnern, dass früher unverheiratete Frauen als "Fräulein" angesprochen wurden. Und auch mir selbst fiel es anfangs schwer, stattdessen "Frau" zu sagen. Aber nur, wenn ich eine bestimmte Person als "Fräulein Sowieso" kennen gelernt habe. Das ist, als wenn jemand heiratet und einen anderen Namen annimmt. Da muss man sich auch dran gewöhnen. Aber es geht!

    Ich versuche, meinen Gesprächspartnern durch Fragen aufzuzeigen, dass sie mit ihren Formulierungen Frauen ausschließen. Redet jemand z.B. vom Drei-Mann-Zelt, frage ich, warum da keine Frauen drin schlafen können. Sagt jemand: "Mit fünf Mann haben wir damals die Wohnung an einem Tag renoviert", entgegne ich: "Waren damals nicht Lisa und Susi dabei?" Das irritiert die Leute und bringt sie zum Nachdenken.

    Ich kann übrigens allen den oben genannten Vortrag nur ans Herz legen, er ist großartig! Und das im Vortrag empfohlene Buch ebenfalls: "Die Töchter Egalias" von Gerd Brantenberg!

    Eine Frage noch: Ist die Woche des generischen Femininums gerade vorbei oder beginnt sie?

    Henriette

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    1. Die Woche beginnt gerade erst - ich editiere oben mal die Daten ein :-)

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  2. "Das Problem am generischen Maskulinum ist, ist, dass es nicht generisch ist."

    Wenn es generisch gebraucht und verstanden wird, dann IST es generisch. Die Sprache gehört nämlich ihren Anwendern und nicht Anatol Stefanowitsch et. al.

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    1. Die Sprache gehört den Anwender_innen. Und wir wollen sie so benutzen, dass wir uns nicht ausgeschlossen fühlen.

      Das generische Maskulinum wird leider nicht generisch verstanden. Das zeigt der o.g. Vortrag sehr deutlich. Vielleicht schaust Du ihn Dir einfach mal an, dann kannst Du besser mitreden.

      Du kannst ja sprechen, wie Du willst.
      Und wenn jeder nur an sich denkt, ist ja auch an alle gedacht...
      Du selbst hast wahrscheinlich noch nie zu einer benachteiligten Gruppe gehört. Wie sollst Du dann das Problem verstehen?

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  3. Wobei ich sagen muss, dass ich mich mit der Schreibweise mit dem Unterstrich, wie z.B. bei Feminist_innen nicht anfreunden kann - es sieht immer noch so aus, als ob beides getrennt ist und die Frauen noch einmal hinten dran gehängt werden ;-)
    Am besten finde ich die Schreibweise wie bei BürgerInnen oder Bürger*innen, wobei mit dem Genderstar * auch die zwischengeschlechtlichen Leute/ Transsexuelle gemeint sind.
    Nur um mal meinen Senf dazuzugeben ;)
    Aber generell: Echt toller Text, finde es sehr wichtig sich mit so etwas zu beschäftigen, weil Sprache und Geschriebenes sehr eng zusammenhängen und auch Einfluss auf unsere Denkweise haben.
    Liebe Grüße,
    Laura

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    1. Freut mich, dass du den text gerne gelesen hast.
      Ich schreibe mit Unterstrich, eben weil ich Transpersonen einschließe ;-) Ist ja genauso getrennt wie * oder so. Und ich finde, dass die Lücke eben mehr "Raum" gibt.

      Viele Grüße,
      FP

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