Ich hatte die große Ehre, zusammen mit Yasmina Banaszczuk, Nicole von Horst und Mithu Sanyal ein Buch über Sexismus im Allgemeinen und natürlich im Speziellen über den #Aufschrei zu schreiben. Das Ergebnis ist "Ich bin kein Sexist, aber... Sexismus erlebt, erklärt und wie wir ihn beenden", erschienen im Orlanda Verlag. Beziehen könnt ihr unser Buch über den Verlag, via Amazon oder in gut sortierten Buchhandlungen. EDIT: Ab August soll es das Buch auch als ebook geben.
Nachdem Mina schon am Freitag eine Leseprobe aus ihrem Text
zur Verfügung stellte, könnt ihr im Folgenden die ersten Absätze aus meinem
Kapitel "Reaktionären Reaktionen – der Versuch, gegen Sexismus zu
argumentieren" lesen.
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Irgendeine Nacht im Januar, drei Uhr morgens - ich sitze im
Schlafanzug vor dem Notebook und weine. Vor wenigen Stunden hat Nicole von
Horst ihre ersten Erlebnisse mit Sexismus und sexueller Belästigung getwittert.
Ich fühlte mich an eigene Geschichten erinnert und mich ihr deshalb verbunden –
ich twitterte also auch meine Erfahrungen. Daraufhin entstand ein Dialog mit
Anne Wizorek, die den Hashtag #aufschrei vorschlug, und damit brach die Lawine
los. Die nächsten Tage sind irgendwie "Geschichte" geworden.
Betrachten wir #aufschrei mit dem Abstand von drei Monaten:
Die Aktion hat vielen eine Stimme gegeben, die bisher stumm waren, aber leider
auch Betroffene retraumatisiert. Diejenigen, die jahrelang geschwiegen haben
und nicht laut aussprechen konnten, dass ihnen ein Unrecht geschehen ist,
bekamen nun die Möglichkeit dazu. Es wurden Erlebnisse mit zudringlichen
Familienmitgliedern oder Partner_innen, Sexismus in Schulen, in der Werbung,
Vergewaltigungen geschildert. Das Internet half ein bisschen, die Scham zu
nehmen – brachte aber natürlich keine Anonymität. Aus dem Grund trafen die oft
reaktionären Reaktionen der Kritiker_innen viele von uns mitten ins Herz.
Dadurch, dass nicht nur ein oder zwei Menschen von ihren
Erlebnissen mit Sexismus berichteten, rückten die Opfer in den Mittelpunkt der
Aufmerksamkeit - oder hätten dorthin rücken können, wäre an vielen Stellen
nicht versucht worden, ihnen diese Aufmerksamkeit zu nehmen. Meine persönlich
erste Reaktion auf all die Geschichten, die trotz (oder wegen) der
twittereigenen Beschränkung auf 140 Zeichen eine unglaubliche Kraft hatten, war
irgendwas zwischen Empörung, Wut und Verbundenheitsgefühl. Meine Tränen waren
Zeichen von Traurigkeit und Überforderung. Bestärkt wurden diese Gefühle von
den Tweets, die versuchten, #aufschrei ins Lächerliche, ins Banale zu ziehen.
Aussagen von Menschen, die teilweise dagegen argumentierten und teilweise
einfach nur bösartig und hasserfüllt waren.
In diesem Beitrag möchte ich mich mit den Reaktionen
beschäftigen, denn bei Betrachtung der Vorwürfe gegen #aufschrei und
#Tugendfuror lassen sich gewisse Muster erkennen.
Macht ist eine ganz wichtige Komponente beim Thema Sexismus.
Wenn eine Person einer anderen vorwirft, etwas falsch gemacht zu haben, ist
eine der typischen Reaktionen, den Vorwurf von sich zu weisen. Öffentlich
gesagt zu bekommen, einen Fehler gemacht zu haben, bedeutet für viele
Gesichtsverlust – damit einher geht dann die Angst, die gesellschaftliche
Stellung und damit verbundene Macht zu verlieren.
Viele Männer reagierten sehr empathisch auf die
verschiedenen Geschichten. Vielen war anscheinend nicht bewusst, wie das
alltägliche Leben zahlreicher Frauen aussieht. Einige Männer bekamen den
Eindruck, sich in einer ganz anderen Lebenswelt zu bewegen. Ich habe sehr viele
Statements von Männern gelesen, die angeregt wurden, ihr eigenes Verhalten zu
überdenken und dies auch taten. Sie merkten, dass das, was sie für sich immer
als okay definiert oder sich einfach herausgenommen hatten, nicht immer als
korrekt empfunden wurde. Hier hat die Debatte wirklich etwas bewegen können.
Leider gab es da aber auch die Gegenseite, und die fühlte
sich von den Tweets auf den Schlips getreten. Diesen Leuten fiel es schwer,
Empathie mit den Opfern zu empfinden, und sie gingen zum Angriff über. Anders
lässt sich nicht erklären, dass der Hashtag ganz schnell Menschen anzog, die den
Twitternden Vorwürfe machten oder sich beschwerten, weil sie sich angesprochen
fühlten. Für sie war nur die eigene Person wichtig, die da eventuell
angegriffen werden könnte, was auf keinen Fall gerechtfertigt wäre. Bei einigen
entstand auch das Gefühl der Ausgrenzung, weil sie nicht auf der Seite der
Opfer standen und ausnahmsweise mal nicht diskursbestimmend waren.
Gibt es das Buch mittlerweile auch als epub und hast du am besten noch einen Link dazu? Ich habe leider selbst nichts gefunden.
AntwortenLöschenLeider zu beidem nein :-/
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